Was mich ein 500 Jahre alter Bauernhof über Nachhaltigkeit und Ressourcen Nutzung lehrte
Es ist Donnerstag Morgen. Gerade habe ich die Kinder in den Kindergarten gebracht und laufe nun mit Kribbeln im Bauch nachhause. Ich werde noch meine Tasche packen müssen, dazu bin ich gestern nicht mehr gekommen. Ich bin aufgeregt wie Bolle. Gleich werde ich ganz alleine mit dem Auto 550km in den Süden fahren, um zum ersten Mal meine Freundin zu besuchen, die vor ein paar Jahren der Liebe wegen, die heimischen Gefilde gegen das Leben auf einem fast 500 Jahre alten Bauernhof getauscht hat.
Ich werde also meine Komfortzone verlassen müssen, mich der Sorge stellen, ob ich es schaffe so lange am Stück Auto zu fahren, meinem Mann hier das Feld überlassen, auch wenn nicht alles perfekt aufgeräumt und vorbereitet ist, meine alltäglichen Gänge ruhen lassen, um ganz neue aus zu probieren.
Die Fahrt läuft gut. Überwiegend frei und gut motorisiert komme ich zügig voran. Ich lausche verschiedenen Podcasts, die mich inhaltlich schon mal einstimmen, auf das Gefühl und die Erfahrungen, die mir das Wochenende bescheren werden. Morgen ziehe ich nämlich schon weiter zur nächsten besonderen Station. Ich werde in München ein Seminar zu meiner persönlichen Weiterentwicklung besuchen, wo ich mich auf das Drumherum mindestens genauso freue, wie auf dessen Inhalt.
Aber dazu später mehr.
Gegen frühen Abend komme ich im Allgäu an. Ich habe weder Telefon noch Internet- Empfang, dafür ein aufgeregtes kleines Kind um meine Füße hüpfen, was mir am liebsten sofort all seine tollen Sachen und Fähigkeiten präsentieren möchte. Er macht es mir leicht. Ich bin sofort „da“.
Nach ein bisschen Familienzeit und leckerem Abendessen, können wir quatschen. Wir sehen uns nicht mehr sooft- meine Freundin und ich, aber unsere Verbindung ist tief und bereichernd. Wir reden über all das, was uns im Alltag bewegt und kommen irgendwann bei einem leidenschaftlichen Gespräch über Nachhaltigkeit, Ressourcen und Konsum an und wie viel sich davon in unserem Leben überhaupt integrieren lässt.
Meine Hofführung am nächsten Tag, hebt das für mich auf eine ganz neue Ebene. Ich interessiere mich für nachhaltigen Konsum und bemühe mich genau so bewusst, durchs Leben zu gehen. Aber meine Freundin, die natürlich nicht wie eine Bäuerin zu damaligen Zeiten ihren Hof bewirtschaftet, sondern ein „ganz normales“ modernes Leben führt, ist hier der Naturso nah, weiß viel über deren Einklang, im mentalen, wie im physischen Sinne. Es gibt einen großen Nutzgarten, um den sich alle Hofbewohner kümmern, weite Landschaft, Bienenstöcke zur Honiggewinnung, ein kleines Waldstück mit Teich und 60 Jahre altem Dachsbau. Der Kleine springt fröhlich und versiert um uns herum. Bewegt sich vollkommen sicher in der Natur, weiß schon so viel im respektvollen Umgang damit. Und er lernt natürlich auch, dass Tiere nicht nur „nette“ Haustiere sind, sondern ihren Platz in unserem System haben, wichtig für das Ökosystem- und ja auch in der Nahrungskette sind, für Mensch und Tier. Er kennt die Namen der verschiedenen Vögel, deren Ruf und Aussehen, trägt ein Schnitzmesser dabei und ist gespannt bei der Sache, als wir ein Dachs-Skelett finden. Ich fühle mich so geerdet. Zufrieden. Die Sonne scheint und spiegelt sich in der Oberfläche des grünumsäumten Teiches. Ich erfahre viel über die Zusammenhänge der uns umgebenden Materialien, der Geschichte des Ortes und den biologischen Gegebenheiten. Und ich denke, ich muss ganz bald mit meinen Kindern wiederkommen. Kein Buch, keine Doku kann das Leben auf dem Land so gut vermitteln, wie diese Führung über den Hof und seine Umgebung.
Aber es geht noch weiter. Kreuz und quer laufen wir durch die vielen Zimmer des uralten Gebäudes. Für mich, wie ein Labyrinth. Und jeder Raum erzählt eine Geschichte. Die Grundmauern trotzen schon seit Jahrhunderten den Jahreszeiten und der menschlichen Geschichte. Der Hof wird Stück für Stück mit alten Methoden, viel Engagement und fachlichem Know How der Bewohner restauriert und offenbart immer wieder neue zeitgeschichtliche Zeugen. Das ist so spannend. Zu welchen bauwerklichen Meisterleistungen die Leute vor hunderten von Jahren schon in der Lage waren. Wie vielen unterschiedlichen Nutzungen und baulichen Veränderungen der Hof schon unterlag. Wenn ich anfange, mir vor meinem inneren Auge die Menschen vor zu stellen, die hier gelebt und gewirkt haben. Das ist eintauchen in echte Geschichte, so spürbar und echt, wie es der Geschichtsunterricht niemals vermitteln könnte.
Eines muss ich ehrlicherweise hinzufügen. Es ist viel Arbeit und es gehört schon eine große Portion Leidenschaft und KnowHow dazu, um so einen Hof zu restaurieren und zu bewohnen. Dafür geben die Bewohner viel freie Zeit her, aber das Gefühl, so etwas Sinnvolles mit dieser hervor zu bringen, stelle ich mir sehr erfüllend vor.
Ich bin voll mit Eindrücken- und ein wenig durchgefroren. Trotz Sonnenschein. Es ist halt Winter und daher freue ich mich nun über eine Tasse Tee, lasse mich noch ein wenig vom kleinen Gastgeber unterhalten und packe meine Sachen, um zum zweiten Teil meiner Reise auf zu brechen.
Darüber möchte ich euch im nächsten Beitrag berichten. Das ist völliges Kontrastprogramm, aber genauso spannend und bereichernd.
Schreibe einen Kommentar